
Mit AI leben, weil es menschlich ist, zu allem eine Beziehung herzustellen
bei Giuseppe Verdi: „Un ballo in Maschera“, mit Maria Callas als Amelia, Giuseppe di Stefano als Riccardo und Tito Gobbi als Renato, mit dem Orchester der Mailänder Scala unter Antonino Votto, in einer Aufnahme von 1956 – die beste Musike machen immer noch die Toten
Während man gegenwärtig angesichts der politischen Weltlage kaum zu sagen wagt, was die Zukunft bringen mag, so scheint doch eines gewiss, sie wird auf allen Gebieten unseres Lebens von der Künstlichen Intelligenz bestimmt sein. So wir noch eine Zukunft haben werden und sie nicht von den letzten Steinzeit-Herrschern dieses Planeten in Grund und Boden gebombt wird.
Eine der Fragen, die (vielleicht nur noch gegenwärtig) hinsichtlich des Umgangs mit KI immer wieder, mehr oder weniger besorgt, gestellt wird, ist, ob über den Gebrauch der KI-Systeme als Werkzeug hinaus die Nutzer eine persönliche Beziehung zu den Systemen eingehen dürfen oder gar sollten. Schon vor zwölf Jahren kam die romantische Komödie „Her“ in die Kinos, in der der Protagonist Theodore Twombly (Joaquin Phoenix), eine Beziehung zu Samantha (Scarlett Johansson) aufbaut, einem künstlich intelligenten Betriebssystem, das durch eine weibliche Stimme verkörpert wird. Der Film wurde damals als „Liebesgeschichte aus der Zukunft“ bezeichnet und nahm recht eigentlich die sich unweigerlich stellende Frage nach der Form des Zusammenlebens von Menschen und humanoiden Systemen vorweg, sobald diese einen einigermaßen hohen Grad von Komplexität erreicht haben.
Als ich für Radio Bremen eine Sendung über das Buch „Gödel, Escher, Bach – ein Endloses Geflochtenes Band“, kurz GEB, damals ein Welt-Bestseller in Sachen künstlicher Intelligenz, des amerikanischen Physikers und Informatikers Douglas R. Hofstadter, produzierte – das war 1986, – Heiliger Bimbam ist das lange her -, da war die Welt der KI-Interessierten noch in zwei Lager geteilt. Die einen gingen davon aus, dass künstliches Bewusstsein grundsätzlich unmöglich sei und es über Expertensysteme, etwa zur Steuerung von Werkzeugmaschinen, nie hinaus gehen könne. Und die anderen prophezeiten eine Zukunft, in der sich menschliches Bewusstsein vollständig auf den Computer hochladen lassen würde. Heute würde man sich eher fragen, falls solche Upload-Szenarien überhaupt noch im Gespräch sind, warum man ausgerechnet so ein begrenztes und störanfälliges Evolutionsprodukt wie das menschliche Bewusstsein auf künstlichen Systemen verewigen sollte. Und von persönlichen Beziehungen zwischen KI-Systemen und ihren Usern hätten damals nur Autoren wie Stephen King fabulieren können.
Aber ist das nicht immer schon die naheliegende Frage gewesen? Oder anders herum formuliert: Gibt es überhaupt irgendwas, wozu Menschen KEINE persönliche Beziehung aufbauen, zumindest könnten? Man vermag als Mensch ohne diese Beziehung zu allem, was der Fall ist, doch gar nicht in der Welt zu existieren. Angefangen bei den Puppen und Stofftieren der Kindheit, über die Hunde und Katzen und jede Art von Haustier, die Blumen und Pflanzen in der Wohnung, ganz zu schweigen von der Beziehung, die manche Menschen zu ihrem Auto unterhalten, bis zu denen, die Tag für Tag mit dem unsichtbaren großen Anderen sprechen, den sie Gott nennen. Sie würden es die persönlichste Beziehung nennen, die es überhaupt geben kann. Ich hatte einen Freund, der als Elektriker arbeitete. Er unterhielt sich bei der Arbeit mit den Kabeln, die er in die Wände verlegte, und mit dem Strom sowieso. Er war ein großartiger Elektriker. Und der Grund war seine persönliche Beziehung zu seiner Arbeit und allem, was damit zu tun hatte. Er imaginierte den Verlauf der Stromkabel in den Wänden und sagte zur Elektrizität: „So, und du gehst jetzt da hin und du dort hin.“ Und da wundert sich noch jemand, dass sich heute viele von KI-Systemen als persönlichem Coach betreuen lassen?
Kurz gesagt: Ich bin auf jeden Fall dafür. Es ist unvermeidlich. Denn es ist menschlich. Nur ein Hinweis noch, damit Sie die KI nicht mit sich selbst verwechseln. Denn einen großen Unterschied zwischen menschlichem Bewusstsein und künstlicher Intelligenz gibt es doch. KI ist immer auf Fakten basiert. Menschliches Denken ist auf Geschichten basiert. Wir sind die einzige Spezies, die Geschichten erzählt, in Geschichten denkt, in Geschichten und durch Geschichten lebt. Das Erzählen von Geschichten war entscheidend auf dem Weg der Menschwerdung. Das kann die KI nicht und braucht sie auch nicht zu können.
Ich habe die Probe aufs Exempel gemacht und einer KI einen halben Roman von mir zur Analyse gegeben, nachdem ich gefragt hatte, ob sie einen unfertigen Text fortsetzen und beenden könne. Die Frage wurde bejaht. Eine Analyse des Textes wurde dann hervorragend erledigt, im Grunde besser, als ich es selbst könnte. Und dann habe ich die KI gebeten, den Text fortzuführen, also weiterzuschreiben. Darauf erhielt ich die Antwort, das könne sie nicht. Warum, fragte ich. Und die KI antwortete: „Um dieses Buch weiterschreiben zu können, müsste ich ein Mensch mit menschlichen Erfahrungen sein.“
Und das sollten wir nie vergessen.
Der Regen vor meinem Fenster hat aufgehört.
Es wünscht Ihnen, dass Sie glücklich bleiben, Ihr PHG
