Malerei

Ludwig ist tot – Mein Tag, in Trauer getaucht

Donnerstag, 15. Juni 2023, bei Giuseppe Verdis “Falstaff” mit Giuseppe Taddei, Rolando Panerai, Francisco Araiza, Raina Kabaivanska, Janet Perry, Christa Ludwig u. Trudeliese Schmidt, mit den Wiener Philharmoniker unter Herbert von Karajan

Ludwig Drahosch ist tot: Gestern erfuhr ich, dass ich einen Menschen verloren habe, den ich mit seiner Arbeit, mit seiner Kunst wie kaum einen anderen geschätzt und bewundert habe. Der Verlust deprimiert mich so sehr, zumal ich niemals damit gerechnet hätte und ich seinen unerwarteten Tod nicht nur privat für eine Tragödie und einen unersetzbaren Verlust halte. Für seine Familie selbstverständlich, für seine geliebte Muse und Lebensmenschen Nina und (natürlich nur am Rande) auch für mich, der ich ihn über ein paar wenige Jahre kennen durfte und hin und wieder mit ihm gearbeitet habe. Sondern, es ist, das behaupte ich, ein Verlust für die Welt. Auch wenn die Welt sich, wie üblich, nicht darum kümmert. Ach, du dumme Welt!

Natürlich kennen Sie ihn nicht. Aber Ludwig war ein großer Künstler, wie ihn die Gegenwart eigentlich gar nicht verdient hatte, ein Zeichner und Maler vom Format eines Leonardos, dazu ein Fotograf und Filmer von außerordentlichem Rang und ein Schriftsteller, der mit dem Wort so genau und liebevoll umging, wie mit dem Zeichenstift. In dieser knappen Beschreibung verbirgt sich aber wohl auch schon das Problem, denn wer mit dem Stift so umzugehen vermag, dass es den Betrachter vor Staunen den Atem anhalten lässt, der findet in einer Kunstwelt, in der man bekannt wird, wenn man mit viel Mediengetöse einen Eimer Farbe umstößt, schwerlich einen Platz und will es wohl irgendwann auch gar nicht mehr.

Viele seiner Zeichnungen zeigten nicht nur die Kunst seiner Darstellung, sondern auch den wohl ständig stattfindenden inneren Kampf, der in allem steckte und sein Tun begleitet hat. Ein Beispiel dafür ist sicher die Darstellung, die ich genau aus diesem Grund für das Cover meines Römischen Tagebuches von 1989 gewählt habe.

Das war 2021. Schon 2019 hatte er den Umschlag für die Neuauflage meines Romans “Calvinos Hotel” machen sollen, aber ich hatte seinen Bildvorschlag damals vor dem Verlag nicht durchsetzen können, wohl auch, weil ich infolge eines Schlaganfalls nicht die Kraft dazu besaß. Danach schickte er mir das Manuskript seiner wunderbaren Novelle »Simonettas Schatten«, die ich leider nicht beim Verlag unterbringen konnte. Zudem fand ich, dass sein Buch bei einem österreichischen Verlag besser aufgehoben sei. Diesen Verlag hat er dann bei Margarete Tischler in Gols zum Glück auch gefunden.

Hätte es für ihn einen angemessenen Platz in der Zeit gegeben, es wäre die Renaissance gewesen. »Oft habe ich das Gefühl,« schrieb er, »die vergangenen Epochen vor der Dummheit der Gegenwart schützen zu müssen. Das mache ich seit 25 Jahren, doch jetzt erst, seit die Cancel und Woke Kultur auch außerhalb der bildenden Kunst sichtbar wird, habe ich das Gefühl, dass man versteht, worum es mir geht. Meine Novelle ist ein solcher Versuch, der Renaissance wieder ihren Traum zu schenken. Letztlich benötigen wir so viele Positionen wie möglich, im Idealfall für jeden Menschen eine eigene. Wie schön wäre es, wenn es endlich durchsickern würde, dass für jeden Menschen etwas anderes richtig ist.« Und weiter: »Da stehe ich nun im Hier und Jetzt wieder voller Ideen und der Erkenntnis, dass ich nicht GEGEN, sondern FÜR etwas zu kämpfen habe. Die Wörter wurden zu Freunden, Erzählgemälde entstanden und entstehen.«

Seine Novelle »Simonettas Schatten« hätte ein Anfang für diese Erzählgemälde sein soll. Nun ist er gegangen.

Ludwig Mag. Drahosch – 30. März 1969 – 12. Juni 2023

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker