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Wahl vorbei – alles neu?

Wiesbaden, Dienstag, 26. September 2017, bei Maria Callas, Soprano Assoluta, schon 
wieder mal, bin da unverbesserlich

 

INMITTEN VON GEBEIN HIER
Inmitten von Gebein
Musik:
sie dringt über Sand,
sie dringt übers Meer.
Inmitten von Gebein
dringen Flötenklang
ferner Trommelton
und dünnes Geläut
über welke Felder
dringen übers Meer mit den Delfinen.
Ihr hohen Berge, hört ihr uns nicht?
Zu Hilfe! Hilfe!
Ihr hohe Berge, wir verwesen, tot unter Toten!
(Giorgos Seferis: Kairo, August 1943)

 

Also? Wie nun? Alles neu jetzt? Nee, sicher nicht. Jetzt hatten wir die Wahl und prompt den Katzenjammer danach. Nicht mal der eingefleischteste AfD-Anhänger, so will mir scheinen, kann jetzt wirklich glücklich sein. Man kann sich ja tausendmal sagen, dass man es denen da oben nun mal richtig gezeigt hat, aber was ist passiert? Frau Petry läuft prompt davon und will mit dem Feuer, das sie da angezündet hat, plötzlich nichts mehr zu tun haben. Und der restliche Haufen steht da wie begossene Pudel.* Nein, ich glaube nicht, dass die AfD in ihrer gegenwärtigen Form eine Bedrohung für die deutsche Demokratie ist. Und das wird auch so bleiben, so lange da niemand auftaucht, der nicht wenigstens das Negativ-Format des polternden Tölpels aus La Casa bianca auf die Bühne bringt. Wenn das der Fall wäre, dann sehe ich schwarz, denn die zu ihm passende Anhängerschaft wäre sofort da. Also, nochmals, nicht die AfD ist gegenwärtig das Problem, diese Partei zerlegt sich zur Not noch selbst, aber ihre Wähler sind es. Da ist ein Potential, das Angst machen kann. Sonst befürchte ich nichts, Deutschland steht heute nicht schlechter da als am Tag vor der Wahl. Die Probleme sind jetzt nur deutlicher sichtbar. Das könnte hilfreich sein.

So, das ist also meine Meinung zur momentanen Politik in Deutschland. Abgesehen davon ist meine ehemalige Verlegerin Simone Barrientos in den Bundestag gewählt worden, für die bayrische Linke. Gratulieren wir ihr und hoffen wir, dass auch sie hilfreich sein wird, in Berlin, auf dem Feld der Kulturpolitik. Das wäre nämlich sehr dringend nötig.

Bei mir war das Wetter heute so schön, dass ich überlegt habe, noch einige Tage hier zu bleiben, bevor ich mich zurück an die Zattere begebe, um die unterbrochene Arbeit am Roman wieder aufzunehmen. Zu lange darf es freilich nicht sein, denn ich bemerke, dass ich mich hier zu leicht ablenke, mit der Lektüre von Büchern etwa, die ich eben noch gar nicht in der Hand hatte.

Momentan stehen vor allem die Tagebücher von Gombrowicz und die Logbuch-Gedichte von Giorgos Seferis im Vordergrund, über die ich eine Besprechung vereinbart habe. Aber das passt beides auch gut zu meiner eigenen Romanarbeit, weil es darin ebenfalls um ein literarisches Thema geht.

Sie sehen, ich rette mich mal wieder auf die übliche Weise, mit Literatur und Musik. (Ergebnis einer veralteten Bildungsvorstellung.) Hoffentlich haben Sie auch etwas, das Sie zu retten vermag. Ich wünsche es Ihnen und

Bleiben Sie glücklich
sagt Ihr PHG

* PS: Kennen Sie den Zusammenhang zwischen dem oben erwähnten Pudel und Maria Callas?

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker