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Das Weltall kooperiert nicht

Samstag, 8. Juni 2019, bei Mozarts ‘Idomeneo’, Glyndebourne, 1956

Mark Watney (Matt Damon) sagt am Ende des Films “Der Marsianer”, nachdem er gegen alle Wahrscheinlichkeit auf dem Mars überlebt hat und zur Erde zurückgekehrt ist: “Ich konnte tatsächlich auf einem öden Planeten überleben, durch Ackerbau mit meiner eigenen Scheiße, ja, es ist sogar noch schlimmer, als es klingt, darum wollen wir auch nie wieder darüber reden. Die andere am meisten gestellt Frage ist: hab ich da oben, so ganz auf mich allein gestellt, gedacht, dass ich sterben werde? Ja, absolut. Das müssen Sie wissen, wenn Sie hier mitmachen, weil Ihnen das auch passieren kann. Das ist das Weltall, es kooperiert nicht. An irgendeinem Punkt geht einfach alles schief. Alles geht einfach schief, und Sie werden sagen: das war’s. Das ist mein Ende. Sie können das entweder akzeptieren oder an die Arbeit gehen. Das ist alles. Sie fangen einfach an. Ein Schritt nach dem anderen. Sie lösen ein Problem und dann das nächste und das nächste. Bis Sie genug Probleme gelöst haben und nach Hause kommen.”

Als ich am Morgen des 10. Februar aufwachte, lag ich zwar in meinem Bett und nicht im roten Sand des Mars, aber das war nur äußerlich, denn tatsächlich war ich auf dem Planeten “Hirninfarkt” gestrandet. Der Hirninfarkt ist ein sehr fremder Planet, obwohl er allein in Deutschland von 150 000 pro Jahr besucht wird. Jeder wird seinen Aufenthalt anders erleben, und vielen verschlägt der Besuch dort sogar die Sprache, sodass sie nicht mal davon erzählen können.

Ob ich am Ende nach Hause werde zurückkehren können, das weiß ich noch nicht. Ich befinde mich, um in Analogie des Films zu sprechen, wohl gerade an der Stelle, an der Mark Watney infolge eines Risses in der Schutzhülle sein ganzes Wohnhabitat um die Ohren geflogen ist. Also ist weiter Problemlösen angesagt. Aber ich weiß zumindest wo ich bin. Das ist schon so viel, dass es einem die Tränen in die Augen treiben könnte.

In einer Therapiegruppe saß ich mit drei anderen Besuchern des Planeten “Hirninfarkt” und übte erfolglos das Bewegen der Finger, als die Krankengymnastin mein Gegenüber, einen älteren Herrn mit grauen Haaren und irritieren blauen Augen, fragte, ob er wisse, wo er sei. Er verneinte. Als die Therapiestunde beendet war, fragte ich sie: Hat er wirklich gesagt, dass er nicht weiß, wo er ist? Ja, sagte sie. Er hat nur noch eine einzige Erinnerung. Herr S. sieht sich selbst auf dem Dach seines Hauses, beim Abbau einer alten Antenne. Sonst ist alles weg.

So kann also dieser Planet mitunter aussehen. Dagegen geht es mir natürlich Gold. So, das soll mal mein heutiger Funkspruch sein. Jetzt gehe ich einige Probleme lösen, damit ich vielleicht dereinst wieder den Rückflug nach Hause antreten kann.

Bleiben Sie glücklich
Ihr PHG

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker