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Wieder ein Ende als Anfang?

Samstag, 26. Oktober 2019, bei Cimarosas “Cleopatra”

Wohl mein ganzes Leben hindurch, also sicher tausende Male, habe ich ein Ende, meist einfach das der Woche, als neuen Anfang betrachtet, als Möglichkeit dazu, so wie Kant von den Bedingungen der Möglichkeit für Erkenntnis etwa spricht, zumindest. Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit etwas möglich wird? Oft genug, nachdem ich immer wieder am Schreiben gehindert worden war, hatte ich darauf mit dem Wochenende geantwortet, was natürlich meiner unsterblichen Naivität geschuldet war, denn was enttäuscht mehr als das Wochenende? Nun, wie auch immer. Mag es so bleiben.

Am Morgen lag Nebel über dem Garten. Ich setzte mich an das offene Fenster, noch im Nachtzeug, und las seit langem mal wieder einige Seiten noch vor dem Frühstück. Es waren Handkes Schilderungen vor seinem Aufbruch aus der Niemandsbucht, wie er sie in der Obstdiebin mit einer ganz eigentümlichen Ruhe entwickelt.

Es ist wohl ein Abschiedsbuch, auch wenn es von einem neuen Aufbruch erzählt. Ich umrundete das Haus wie schon so oft für eine länger gedachte Abwesenheit. Doch war mein Gefühl dabei ein anderes, noch nie derart sich mir aufdrängendes: ein Abschiedsschmerz, zwar wie wiederum schon oft, aber gesteigert zu einem: Für immer.

Die Liebste hat es mir geschenkt, nachdem sie gestern in der Nacht nach einem langen Tag an der Mannheimer Opernschule und danach dann von ihren Kursen in Mainz zurückkehrte. Der Verkäufer der Dom-Buchhandlung, erzählte sie, habe, als sie eine Verpackung als Geschenk erbat, gefragt, ob er den rückseitigen Preisaufdruck unter einem Aufkleber verbergen solle. Sie habe zu ihm gesagt: Auf keinen Fall. Mein Mann hat so viele Bücher. Er weiß, was Bücher kosten. Das wäre nun wirklich lächerlich.

Ich bin gespannt, wohin mich Handkes Aufbruch führen wird. Er hat das Buch als das “Letzte Epos” bezeichnet. Aber es geht ja immer nach Westen, wie Gabriel in Joyce’ letzter Novelle sagen würde.

Inzwischen ist es sonnig geworden. Ich werde mich mit der Obstdiebin nach draußen in die Sonne setzen, möglich es ist der letzte Sonnentag, bevor es in den Winter geht und es heißt „Langsam schwand seine Seele, während er den Schnee still durch das All fallen hörte und still fiel er, der Herabkunft ihrer letzten Stunde gleich, auf alle Lebenden und Toten.“

Aber Sie wissen ja, glücklich bleiben
lautet die Aufgabe. Möge es gelingen
wünscht Ihnen Ihr PHG

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker