Literatur

Der lange Schatten des Mondes

Montag, 23 November 2020, bei den 24 Preludien & Fugen von Shostakovich, zum Leben erweckt von den klugen Fingern des Alexander Melnikov
Als ich, noch ein Kind, zum erstenmal
meinen Namen schrieb, war mir
bewußt, daß ich ein Buch begann.
Reb Stein/Edmond Jabès

Gestern nach dem Frühstück 8,7 Km auf den Fahrrad-Ergometer. Seit Wochen endlich wieder sollte ich dazu anfügen, denn wir mussten erst umbauen, da der alte Platz des Gerätes ungünstig war. Hinterher spürte ich erstaunlicherweise mehr Energie im Körper. Überlege, ob ich mir auch ein Laufband anschaffe. Ob das lohnt, angesichts der Kosten (etwa 2.000 Euro) für ein gutes Gerät? In den Monaten, da ich 2019 auf dem Laufband trainieren konnte, war es sehr wohltuend. Es müsste im hinteren Kellerraum aufgestellt werden. Mal sehen. Bin noch unschlüssig, obwohl ich mir im Netz schon ein Laufband ausgesucht habe. Vielleicht rufe ich am Nachmittag an und lasse es mir bringen.

Zurück zur Literatur: Im Gegensatz dazu, dass ich meist zu schnellen Entscheidungen neigen und mich sogar über Menschen aufregen kann, die nicht zu Potte kommen, wie wir in Hamburg zu sagen pflegten, wandern Schreibprojekte meist sehr lange an meiner Seite, ja, begleiten mich oft Jahre und sogar Jahrzehnte hindurch. Ich nenne das für mich den ‘langen Schatten des Mondes‘, da die Themen und Stoffe mir so lange nachgehen und dabei, bis ich sie endlich schreibe oder abschließe, nicht wirklich ganz klar sind, wie sie es werden, wenn etwas fertig und im Licht des Tages vor einem liegt. Wer jemals Thomas Manns großen Roman “Joseph und seine Brüder” gelesen hat, der wird sich des 1. Kapitels nach der Höllenfahrt erinnern, in dem der junge Joseph des Nachts, fast nackt, nach der Waschung am Brunnen steht, vom Mondlicht überglänzt und das Gestirn, in einer Art von Ekstase, anzubeten scheint. Thomas Mann wusste noch, dass der Mond/die Mondin einst eine Göttin war.

Griechische Schale mit der Mondgöttin Selene

Wer der Spur der Göttin (und was sie für den Schriftsteller bedeutet) nachgehen will, sollte das Buch “Die weiße Göttin” von Robert Ranke-Graves lesen. Es ist nämlich ursprünglich durchaus nicht “immer Orpheus, wenn es singt“. Das trifft erst auf die Zeit zu, in der das Mutterrecht zerstört und von einem männlichen Götterkanon abgelöst worden ist. Aber darum muss jeder Dichter immer noch für sich entscheiden, wie er sich zur Göttin verhält, wenn er seine Berufung ernst nimmt.

Ich habe um den langen Schatten des Mondes und seine Bedeutung für mich schon früh gewusst, ohne dieses Wissen hätte ich mein Schreiben schon vor Jahrzehnten aufgegeben. So aber habe ich begriffen, dass es mir aufgegeben ist und es mir keinesfalls freisteht, mich dieser Aufgabe zu entledigen.

So nehme ich auch in diesen Tagen ein Schreibprojekt wieder auf, das ich, in den Hintergrunddaten der Datei habe ich es überprüft, im Frühjahr 2005 begonnen habe. Teile davon sind inzwischen gar schon einmal veröffentlicht worden. Diesmal werde ich es fortsetzen und erweitert neu publizieren, damit muss ich bis Jahresbeginn 2021 fertig sein.

Vorher bzw. parallel werde ich für die Freunde des Verlages einen Weihnachtsrundbrief verfassen, der u.a. die frohe Botschaft enthält, dass wir bisher das arge Krisenjahr 2020 überstanden haben und guten Mutes sind. Ich werde die Arbeit des zurückliegenden Jahres vorstellen und einen Ausblick auf kommende Veröffentlichungen und Veranstaltungen geben, bis zum Frühjahr 2021 und der Buchmesse Ende Mai.

Zu den demnächst bevorstehenden Veröffentlichungen gehört auch der Erzählband “Rettungen” von Jutta Schubert, ein Werk von derart sprachlicher Intensität, dass es sich nur mit den poststrukturalistischen Texten der Julia Kristeva und den Büchern Elfriede Jelineks vergleichen lässt. Darauf freue ich mich besonders, denn für den Kulturmaschinen Verlag werden gerade Jutta Schuberts Texte ein großer Schritt nach vorn sein, eine Revolution der poetischen Sprache, die so nur von einer Frau kommen konnte.

So, nun geht es wieder aufs Ergometer, damit der Körper zu seinem Recht kommt.

Bleiben Sie glücklich
wünscht Ihnen Ihr PHG

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker