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Das Universum kartieren

Wiesbaden, Montag 4. September 2017, bei Musik von Beethoven, Cesar Franck und Brahms
jeweils mit Géza Anda am Klavier
– Es gibt den Baum und die Erde.
– Der Rest wird zerstört.
– Es gibt den Wind.
(Hubert Fichte: Mina)

In der vergangenen Nacht, als ich zu Bett ging, ganz überraschend das Gefühl, aus der Tretmühle raus zu sein. Es war überwältigend, als öffne sich um mich herum ein großer Raum, dessen Grenzen, so es sie gab, nicht zu erkennen waren. So hast du dich seit langer Zeit nicht mehr gefühlt, dachte ich, als ich wieder denken konnte. Wie lange nicht? Seit Monaten! Dann, Quatsch, seit Jahren! Und heute denke ich, dass es vielleicht sogar so ist, dass ich mich noch niemals zuvor so gefühlt habe. Es ist wohl das, was man sich als Ziel eines jeden Urlaubs wünscht, um dann regelmäßig festzustellen, dass noch kein Urlaub diesem Ziel auch nur näher gebracht hat.

Im Grunde hatte es sich schon seit Tagen angekündigt, denn ich war immer früh aufgestanden und hatte vor dem Frühstück lange gelesen, bei offener Tür, im Sonnenschein. Außerdem habe ich wieder angefangen, Gedichte zu schreiben, was stets ein gutes Zeichen ist. Mal sehen, was noch kommt.

Man könnte es auch anders beschreiben. Der befreundete Maler Nicolaus Werner schickte für die Mitte des Monats eine Einladung in sein Atelier. Dem lag das folgende Bild bei:

Es zeigt vier große Papierarbeiten, die in Form von Säulen gefaltet sind, wunderbar bemalt. Er nennt das “Vier Säulenstümpfe zur vorläufigen Kartierung des Universums”.

Mir gefallen seine Arbeiten sehr. Aber seit gestern weiß ich, dass ich aus der Pflicht, das “Universum zu kartieren”, entlassen bin. Ich muss das nicht mehr machen, auch nicht “vorläufig” oder sonst wie. Ich bin frei, zu machen, was ich will. Nicht mal der Tod begrenzt die Gewissheit dieses Gefühls. ich kann alles machen. Und ich muss gar nichts.

In gewisser Weise geht es mir wie meiner Hauptfigur Franz Gabriel in meinem neuen Roman “Nichts weißt du, mein Bruder, von der Nacht”, der am Ende erkennt, dass er frei ist, völlig frei. Ich habe das Buch im April diesen Jahres abgeschlossen, und vielleicht hat die Erkenntnis, die der Franz darin hat, seit April gebraucht, um auch bei seinem Autor anzukommen. Das wäre doch schon etwas, oder?

Ich wünsche Ihnen einen sonnigen Tag und so viel Freiheit, wie Sie ertragen.

Ihr PHG

 

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker