In die Zukunft verschoben
Freitag, 21. Juni 2019, bei Bachs Kantate ‚Schwingt freudig euch empor‘ BWV 36
Kennen Sie das? Man erwacht oder taucht zumindest so weit aus der Dunkelheit auf, dass man wach zu werden glaubt, und dabei bemerkt man, dass einen noch ein Satz oder auch ein Bild aus den Bereichen der gerade verlassenen Nachtmeer-Fahrt begleitet. Bei mir war das am heutigen Morgen der Satz:
Wir haben deinen Tod in die Zukunft verschoben
Es versteht sich, dass ich weder wusste oder verstand, wer dieses WIR war, das da so über mich befunden zu haben vorgab, noch was denn mit ZUKUNFT gemeint sein könnte. Immerhin gibt es ferne und nahe Zukünfte, und es wäre doch verhängnisvoll, wenn ich infolge dieses Satzes leichtfertig an meine nächsten 20 Jahre zu glauben beginne, während das über meinen Tod befindende Kollektiv nur an die nächste Woche gedacht hat. Zukunft ist schließlich alles, vom noch nicht gemachten nächsten Atemzug bis zum Vergehen unserer Spezies. Man muss sich also wohl damit abfinden, dass Orakel notorisch ungenau sind.
So sinnierte ich über diesen Nachtrest vor mich hin, während ich langsam ganz wach wurde. Zehn Minuten später stand ich auf und ging ins Bad. Und dort sah es dann aus, als sei doch eine recht nahe Zukunft gemeint gewesen, denn mein seit Februar gelähmtes rechtes Bein gab unter mir nach und ließ mich zu Boden stürzen. Ich verlor nicht das Bewusstsein, doch konnte ich mich nur mit Mühe aufsetzen und nicht ohne fremde Hilfe aufstehen. Das rechte Bein fühlte sich zuerst an, als sei das Hüftgelenk aus der Gelenkpfanne gesprungen, doch ließ der Schmerz nach, als ich das Bein endlich etwas nach vorn ausstrecken konnte. Als ich so weit war, begann ich nach der Liebsten um Hilfe zu rufen. Sie kam sofort und konnte mich so weit stützen, dass es mir gelang, mich auf die Knie aufzurichten. Von dort konnte ich mich mit der linken Hand am Waschbecken in die Höhe ziehen.
J. brachte mich dann wieder ins Bett, wo ich noch eine Stunde lag und mich langsam beruhigte, schweißnass.
Ja, so begann mein Tag, mal schauen wie er endet.
Bleiben Sie trotzdem glücklich
wünscht Ihnen PHG
PS: Das obige Bild zeigt: Die Ankunft Charons, eine Illustration aus Dantes ‚Göttlicher Komödie‘, von Gustave Doré
2 Kommentare
Ralph Roger Glöckler
Lieber Peter,
ich bewundere die Sachlichkeit, mit der Du dieses Erlebnis schilderst. Was bedeutet Zukunft? Wie Du sagst: vom nächsten Atemzug bis zum Ende der Menschheit. Sei furchtlos dankbar für all die künftigen Atemzüge.
Ich habe wurde wohl mit einer Angststruktur geboren, ererbt vom Vater, die dauernd von den aktuellen Zeitläuften getriggert wird. Wenn es mir morgens besonders bang zu Mute ist, will ich an keine Zukunft mehr denken.
Dein sachlicher Umgang inspiriert mich. Danke.
Morgendliche Grüße
Ralph
admin
Lieber Ralph,
mit meiner Sachlichkeit ist es weniger weit her, als es aussehen mag. Ich bin davon schon sehr, nun, sagen wir mal vorsichtig „berührt“. Freilich weniger von der „Zukunft“ an sich, als von der Botschaft überhaupt und dem Ton, in dem sie übermittelt wurde. Das klingt ja ziemlich administrativ, als säße da jemand in einem Büro und teile einem mit, dass der Termin für die nächste Prüfung oder Untersuchung verschoben worden sei. Und dazu spricht er in der ersten Person Plural, als sei er eine Art Oberarzt, der das Ergebnis eines gerade durchgeführten Konzils bekannt gibt. Das ist doch recht verwunderlich.
ABER es war die selbe Stimme, die mir sagte, es stehe mir eine „Heilung von Körper und Geist“ bevor, in meinem letzten BLOG-Beitrag am 9. Februar habe ich darüber geschrieben. Danach schwieg ich dann bis zum 1. April.
Kurz gesagt, es wäre schon sehr erstaunlich, wenn das Gehirn solche Dinge von allein macht. Umso mehr, wenn da was anderes vorliegen sollte; zumal ich kein religiöser Mensch bin.
Grüße, PHG