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…in Ordnung sein, so oder so

Mittwoch, 6. Mai 2020, bei Mozarts “Don Giovanni” mit dem Mahler Chamber Orchestra

Sehr durchmischte Tage. Einerseits die Ruhe im und um das Haus, was zum Arbeiten kommen lässt, sodass die Liebste und ich seit Wochen damit beschäftigt sind, unsere nächsten Bücher fertigzumachen; gestern bis in die Nacht um halbdrei mit Lesung und Diskussion ihres Textes “Verlorene Ladung”. Dazu das strahlende Frühlingswetter, das die Pflanzen vor Kraft nur so strotzen lässt; wir sind ganz von Grün umgeben.

Demgegenüber steht die völlige Irrationalität und oft sogar bösartige Unvernunft, die aus den digitalen Medien herüberschwappt. Dazu der bedrohliche Umstand, dass uns jegliche honorierte Arbeit weggebrochen ist, sodass man nicht nur hoffen muss, dass man Corona gesundheitlich sondern auch finanziell überlebt.

Das Wissen, seit gestern, dass ein befreundeter Autor, nur wenig jünger als ich, in der Klinik liegt und bei aller demonstrativen Gefasstheit, die zu seinem Persönlichkeitsbild gehört bzw. zu der er sich von seinem Selbstbild her verpflichtet fühlt, doch eine Todesbereitschaft erkennen lässt, die erschreckt. … So der Stand, schreibt er. Ergebnisse der CT von heute weiß ich noch nicht. Bin völlig ruhig, komplett angstfrei, weiß, was es möglicherweise bedeuten wird. Wird aber in Ordnung sein, so oder so. Herzlich, ..

Naturgemäß wird gar nichts in Ordnung sein, ist es ja nie. Ich kenne niemanden, der gekämpft hat wie er, oft mit Wut, immer mit spitzer Zunge, vor allem aber stets ohne sich selbst zu schonen und mit entsprechendem Einsatz der ganzen Person. Ausgerechnet von ihm nun dieses hinnehmende so oder so zu lesen, das schmerzt.

Mich hat 2001 vor solcher Hinnahme nur meine Liebste gerettet, die mir wortwörtlich verbot, mich dreinzufügen und damit auch sie zu verlassen, wofür ich ihr dankbar bin. Er hingegen, der jetzt ebenfalls solchen Halt bräuchte, ist seit einigen Jahren (wohl selbstverschuldet) allein.

Ein Gedicht, das ich 2003 schrieb, kam mir eben wieder in den Sinn. Ich will es mal hierher setzen:

2. April 2003

In den vergangenen drei Stunden
habe ich der Sonne, den Wolken
und dem Wind zugesehen, die
auf dem Hügel vor meinem Fenster
den Frühling inszenieren.

Ich habe ein Gedicht über
die Vögel im Garten geschrieben
die Gästetoilette im Flur gereinigt
meinem Lieblingsbruder einen Brief geschickt
und Bachs Partita in B-Dur gehört.

Niemals, niemals wird dies wieder so sein.
Es gehört ganz allein den
vergangenen drei Stunden am 2. April 2003

Ich wünsche Ihnen das Beste und
natürlich dass Sie glücklich bleiben
Ihr PHG

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker