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Zurück aus Naumburg, Röcken und den Bamberger Elegien

Wiesbaden 30. Mai 11 - Heinrich Schütz: Symphoniae Sacrae III, veröffentlicht 2 Jahre nach dem
Dreißigjährigen Krieg, eine einzige Hymne auf den Frieden.

Nichts geschieht wie vorgeplant. Als ich meinen zweiwöchigen Aufenthalt in Naumburg vorbereitete, ging ich  davon aus, dass ich auf einen gewissermaßen neutralen Ort treffen würde (wo hat es sowas schon jemals gegeben?), dem ich meine Arbeitsabsicht antragen könne. Ich und meine Arbeit, das war der Gedanke. Der Ort war für mich nur ein Rahmen, der existierte, weil die Liebste dort gerade ein Stück inszeniert, ansonsten sollte er mich nicht weiter berühren, so meine Vorstellung. Dass das völliger Unsinn war, hätte ich spätestens in dem Moment begreifen müssen, als J. mir erzählte, dass es da ein Nietzsche-Haus gäbe, in dem man vielleicht gut arbeiten könne.

Während des Philosophiestudiums hatte ich mich, abgesehen von einem Seminar zum “Zarathustra”, das u.a. auch von zwei Studenten, die hauptberuflich bei der Deutschen Bank arbeiteten und die Veranstaltung auf ihre Relevanz für ihr berufliches Fortkommen abzuklopfen versuchten,  demontiert wurde, überhaupt nicht mit Nietzsche befasst.

Und ich hatte sogar eine Art von sprachlicher Abneigung gegen ihn entwickelt. Genau genommen hatte ich eben die Qualität stets abgelehnt, die so viele andere Leser begeistert begrüßen, nämlich Nietzsches dichterische Sprache. Dass da jemand über Philosophie in der Sprache der Dichtung sprach, das hatte mich maßlos verstört, das hatte ich nicht akzeptieren können. Und nun kam ich in Naumburg ins Nietzsche-Haus im Weingarten 18, unterhielt mich nach der Besichtigung lange mit der Dame an der Kasse, erhielt die Telefonnummer des Leiters des nebenan neu gebauten Nietzsche Dokumentationszentrum, rief dort am nächsten Morgen an und durfte noch am selben Tag einen so gut geeigneten Arbeitsplatz beziehen, dass ich schier überwältigt war.

Danach kamen dann die Besuche bei Wieland in Oßmannstedt, bei Novalis, bei Heinrich Schütz, an Nietzsches Grab in Röcken und an vielen anderen Orten, sodass ich eigentlich nur sagen kann, ich habe die folgende Warnung nicht früh genug befolgt.

Aber was tut man denn, wenn man plötzlich vor einem Haus steht, in dem Karl V. genächtigt hat? Oder vor einem anderem, in dem Luther 1521 auf dem Weg nach Worms schlafen konnte?

Plötzlich steht man vor einer fast 500 Jahre alten geschnitzten zweiflügligen Toreinfahrt, in die die vermutlich zwei ältesten Darstellungen von Indianern geschnitzt sind, die es überhaupt in Deutschland, wenn nicht in Europa gibt. Sie zieren das mächtige Tor des Hauses am Naumburger Marktplatz, das auch Karl V. beherbergt hat. Und sie sind, was mich als Autor besonders fasziniert, fast vollkommen aus der Phantasie geschöpft. Als ich bei meiner Ankunft in der Stadt etwas über 3 Stunden ganz allein mit einer Stadtführerin all die ihrer Ansicht nach wesentlichen Orte von Naumburg besichtigte, da sagte sie: Vermutlich hat man den Holzschnitzern damals erzählt, dass die Indianer, die sie darstellen sollten, große Krieger und Könige waren. Da hatte sie sicher Recht, denn warum hätte man sie sonst überhaupt abbilden sollen? Und so sind nun mächtige Herrscher mit Schwertern, wolkigen Federbüschen und vor allem kräftigen Bärten in die hölzernen Tore des Hauses geschnitzt. Woher auch hätten die Künstler damals wissen sollen, dass Indianer keine Bärte haben?

Nun, meine obige Frage “was tut man, wenn … “, die ist selbstverständlich schnell beantwortet. Man muss sich darauf einlassen. Also haben wir uns in all das ganz zwangsläufig verstrickt. Und vor allem haben wir begriffen, dass wir mit der Landschaft und der Kulturgeschichte Sachsens noch längst nicht fertig sind; im Grunde haben wir gerade erst begonnen, uns damit zu befassen.

Mein oben angekündigter Eintrag zu den >>>>   “Bamberger Elegien” muss noch etwas verschoben werden. Vermutlich auf Mitte der Woche, Mittwoch also. Ich bin jetzt zum zweiten Mal ganz mit der Lektüre durch, zuletzt auf der Reise von Naumburg nach Frankfurt, habe das Buch vielleicht ertstmals einigermaßen vollständig verstanden, konnte es mit Lust lesen, begrüße es nun auch inhaltlich sehr und habe einen Ansatz gefunden, um es zu besprechen. Aber das muss ich hier nicht weiter skizzieren, es wird geschrieben werden, wenn ich so weit bin.

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker