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Manchmal zu lange

Wiesbaden, Sonntag 21. Februar 2016, bei "accordance" von Guy Klucevsek and Alan Bern

Friedrich von Spee, der große Kritiker der Hexenprozesse, Autor der “Cautio criminalis”, über den meine Frau vor Jahren das Drama “Hexenbrennen” schrieb, sagte einmal: “Man wartet mitunter lange auf etwas. Manchmal zu lange.” Diesen Ausspruch habe ich mir heute zu Herzen genommen. Ich habe während der letzten Wochen und Monate auf so vieles und so viele gewartet, ohne dass es eintraf, ohne dass diejenigen, auf die ich wartete, auch nur einen Gedanken daran verschwendeten, dass ich heute beschlossen habe, damit aufzuhören. Und zwar für immer. Ich warte nicht mehr. Der Himmel wurde gleich um einiges heller. Und für die Arbeitsfähigkeit hat es auch sofort positive Folgen gehabt.

Zentrales Arbeitsprojekt, ein ganz zentrales, ist seit Jahresbeginn mein “Mutterbuch”. Da zu Beginn des vergangenen Dezembers meine Mutter starb und ich die letzten Wochen an ihrem Sterbebett verbracht habe, schreibe ich nun ein Mutterbuch, das zugleich ein Sterbebuch ist. Bisher liegen etwas über 70 Seiten vor, doch was daraus werden könnte bzw. ob es tatsächlich ein Buch werden wird, das auch veröffentlicht werden kann und soll, das weiß ich noch nicht. Abgesehen davon, dass ich natürlich weiß, dass sich eh niemand dafür interessieren wird. Aber darum geht es auch nicht. Ich schreibe es nicht für eine Veröffentlichung sondern für meine Mutter und mich; nichtmal für meine Geschwister.

Ansonsten liegen zwei neue fertige Romane vor, die ihren Weg gehen werden in diesem Jahr. Das sind mein “Bruderroman” sowie mein “Brasilienroman”. Beides Bücher, an denen ich seit Mitte 2012 gearbeitet habe. Die Hausaufgaben sind also gewissermaßen auf Vorrat gemacht, sodass für das Buch über meine Mutter viel Platz ist. Alles andere wird sich fügen.

Vor allem werde ich auch Zeit haben, meine Übersetzungsarbeit an Pounds “Cantos” wieder aufzunehmen. Das ist mir eine besondere Befriedigung.

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Das begleitende Arbeitsbuch dazu macht in der Umsetzung auf dem Rechner zwar noch gewisse Probleme, da ich dafür ein mehrspaltiges Layout entwickele, das sowohl Text als auch Bilder aufnehmen soll und zudem in der Mittelkolumne als fortlaufender Kommentar lesbar sein soll. Aber es macht Spaß, editorische Feinheiten dieser Art auszutüfteln. Es hat vom Aussehen her eine gewisse Verwandtschaft mit den Großbüchern von Arno Schmidt.

Ach ja, eine Kleinigkeit noch. Man erspart sich auch viel Arbeit, wenn man aufhört, auf andere Leute zu warten. Das liegt daran, dass man dazu neigt, die Arbeit der anderen vorsorglich gleich mit zu erledigen, wenn man merkt, dass man sonst endlos darauf wartet, dass der andere sie macht. Also, tun Sie sich einen Gefallen: Hören Sie mit dem Warten einfach auf. Es geht, glauben Sie mir, ich bin das beste Beispiel dafür.

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker